Als Jusos Rheinland-Pfalz begrüßen wir, dass in der SPD die Entscheidung über den
Koalitionsvertrag basisdemokratisch von den Mitgliedern getroffen wird. Damit steht es jedem
Mitglied frei, sich eine eigene Meinung zu bilden – auf Grundlage persönlicher Werte,
politischer Überzeugungen und den konkreten Inhalten des Koalitionsvertrages.
Als Jusos Rheinland-Pfalz ist genau solch eine Bewertung für uns entscheidend. Zu oft gehen
bei politischen Verhandlungen die Inhalte und was sie konkret für die Menschen bedeuten im
öffentlichen Diskurs unter, und es wird mehr darüber gesprochen, wer am Verhandlungstisch
vermeintlich “gewonnen” hat. Klar ist, dass migrantisierte Menschen, marginalisierte Gruppen
und prekär Beschäftigte bei diesem Koalitionsvertrag verloren haben.
Alle Mitglieder der SPD müssen sich nun die Frage stellen: Macht dieser Koalitionsvertrag die
Gesellschaft gerechter? Macht er unsere Demokratie resilienter?
Besonders in den Bereichen Arbeit und Soziales und Migration des Koalitionsvertrages müssen
wir diese Fragen zu oft mit “Nein” beantworten. Es wurden rechte Narrative, teilweise sogar
AfD-Positionen übernommen, die das Leben von Schutzsuchenden Menschen direkt negativ
beeinflussen werden. So ist die Aussetzung des Familiennachzuges oder die Beendigung von
Aufnahmeprogrammen ein fatales Signal, und wer von “Rückführungsoffensive” und
“Turboeinbürgerung” spricht, übernimmt die Narrative der AfD und legitimiert diese damit.
Im Bereich Arbeit wurden kurzerhand Arbeitnehmendenrechte aufgeweicht, für die die
Gewerkschaften und auch die SPD jahrzehntelang hart gekämpft haben. Der Achtstundentag
ist kein Relikt aus vergangener Zeit, er ist ein Schutzschirm für Arbeitnehmer*innen.
Doch natürlich sehen auch wir Lichtblicke. Die Einführung eines Industriestrompreises ist
gerade für die energieeffiziente Industrie in Rheinland-Pfalz ein Gewinn und kann dabei
helfen, Arbeitsplätze an den Standorten hier zu sichern. Auch die Verlängerung der
Mietpreisbremse und die in Teilen durchgesetzte WG-Garantie sind besonders wichtig und
nötig, auch wenn wir Jusos uns hier natürlich mehr gewünscht haben.
Doch auch uns ist klar, dass ein Koalitionsvertrag eben kein Juso-Wahlprogramm ist. Wir sehen
uns in einer anderen Ausgangslage als noch 2017 – denn dieses Mal gibt es im Parlament keine
andere demokratische Koalitionsoption. Es ist also legitim, aus einem Gefühl der
demokratischen Verantwortung heraus dem Koalitionsvertrag zuzustimmen.
Wir Jusos halten es aber für genauso legitim, mit “Nein” zu stimmen, weil man die eigenen
Grundwerte verletzt sieht – das muss der SPD klar sein.
Wir Jusos Rheinland-Pfalz vertrauen darauf, dass jedes Mitglied diese schwierige Entscheidung
für sich trifft, sich eine Meinung bildet, in Gesprächen und Beratungen, auf Basis der eigenen
Werte und der politischen Realität. Bei dieser Entscheidung gibt es kein objektives „richtig“
oder „falsch“ – es ist eine individuelle Abwägung. Als Landesvorstand stehen wir allen Jusos für
Gespräche, Austausch und Diskussionen jederzeit zur Verfügung und setzen auf einen engen
Austausch mit unserer Basis. Dementsprechend sprechen wir keine Abstimmungsempfehlung
aus, sondern haben großes Vertrauen in unsere Mitglieder und ihre Fähigkeit, eine solche
Entscheidung verantwortungsvoll und auf der Grundlage unserer Überzeugungen zu treffen.