Impfgegner*innen: Gesundheitsgefährdende Verschwörungstheorien

von Svenja Budde

Geht es im medialen und gesellschaftlichen Diskurs um das Thema Impfen oder gar eine Impfpflicht gegen bestimmte Krankheiten, werden immer wieder Stimmen laut, die sich mit teils kruden Argumenten kritisch bis ablehnend gegenüber Impfungen äußern. Während in anderen Ländern gerade des globalen Südens Menschen froh darüber sind, sich und ihre Kinder impfen lassen zu können, verweigern in Deutschland und anderen westlichen Industrienationen gefühlt immer mehr Menschen sich und ihren Kindern selbst den grundlegendsten Impfschutz. Zwar ist die Zahl der Impfgegner*innen in Deutschland tatsächlich relativ klein und nimmt seit Jahren nicht zu [1], jedoch verstehen es ihre Vertreter*innen gut, die mediale Aufmerksamkeit auf sich zu ziehen – und stellen zudem dennoch eine enorme Bedrohung für die gesamte Gesellschaft dar. Doch warum soll es angeblich so viel gefährlicher sein, sich impfen zu lassen als die Krankheit selbst zu bekommen? Und warum ist die Weigerung, sich impfen zu lassen, eben nicht nur eine individuelle Entscheidung, sondern eine von gesamtgesellschaftlicher Relevanz?

Begründet wird der generelle Widerstand gegen Impfungen mit unterschiedlichsten Argumenten, wovon nicht alle tatsächlich Verschwörungstheorien sind (so lehnen manche Impfungen z.B. aus religiösen Gründen ab) – auch wenn die gesellschaftlichen Risiken die gleichen bleiben. Die meisten Gegner*innen jedoch widersetzen sich Impfungen aufgrund verschwörungstheoretischer und wissenschaftsleugnender Argumente und stellen damit gleichsam eine doppelte Gefahr dar. 

Denn zum einen ködern sie – wie alle Verschwörungstheorien – durch die vermeintliche Plausibilität ihrer Argumentationen oder die gerade bei jungen Eltern geschürte Angst immer mehr Menschen für ihre Sache und steigern dadurch nicht nur das im Folgenden beschriebene Gesundheitsrisiko, sondern spielen zudem auch der Ausbreitung von Medien-, Wissenschafts-, Regierungs- und Demokratieskepsis in die Hände und gefährden damit die Stabilität unserer Demokratie. 

Zum anderen aber gefährden sie durch ihre Weigerung, sich impfen zu lassen, eben nicht nur ihre eigene Gesundheit oder die ihrer Kinder, sondern stehen insbesondere der sogenannten „Herdenimmunität“ im Wege, die nötig ist, um auch Personen vor der Krankheit zu schützen, die aus verschiedenen Gründen (z.B. aufgrund von Vorerkrankungen) nicht geimpft werden können. Um diesen indirekten Schutz für gefährdete Personen zu erreichen, ist es nötig, dass ein hoher Prozentsatz der Bevölkerung gegenüber der Krankheit immun ist – was, um eine Ansteckung dieser Personen zu vermeiden, logischerweise durch Impfungen (statt durch Ausbreitung der Krankheit) am besten zu erreichen ist. Ein Beispiel: Säuglinge können nicht mit dem derzeit verwendeten Impfstoff gegen Masern-Mumps-Röteln geimpft werden, da dieser lebende Erreger erhält, die für sie nicht nachweislich unbedenklich sind. Gleichzeitig ist aber eine Infektion mit einer solchen Krankheit gerade für sie hochgefährlich. Um sie daher vor einer Ansteckung zu schützen ist es notwendig, dass ein bestimmter Prozentsatz der Bevölkerung, genauer gesagt mindestens 95%, gegen die Krankheiten immun ist – was eben am besten durch eine entsprechende Impfung im Kindesalter geschieht (eine gute Erklärung und Animation zur Herdenimmunität findet sich hier [2]).

Wie genau lauten nun die Argumente von Impfgegner*innen und wie lassen sie sich entkräften? Neben Behauptungen wie solchen, dass Viren gar nicht existieren oder der Schutz vor Erkrankungen einzig und allein durch eine Verbesserung der Hygienebedingungen erreichbar sei (Anmerkung: Das ist bei manchen bis zu einem gewissen Grad zwar der Fall, gilt jedoch auf gar keinen Fall für Krankheiten wie z.B. Masern, Kinderlähmung, Polio o.ä.!), sind gängige verschwörungstheoretische Begründungen von Impfgegner*innen folgende:

  • Impfungen besitzen keine Wirksamkeit bzw. gibt es keine Nachweise dafür,die „wissenschaftlichen Kriterien“ standhalten.

 

In der Tat ist es natürlich richtig, dass eine Impfung (aus verschiedenen Gründen) nie zu 100% davor schützt, die entsprechende Krankheit zu bekommen und dass sich die Wirksamkeit von Impfung zu Impfung unterscheidet. Absoluter Schutz oder keine Nebenwirkungen sind nach aktuellem medizinischen Stand schlicht nicht möglich – und werden es wohl auch in absehbarer Zukunft nicht sein. Dennoch beweisen unzählige Studien,die, anders als behauptet, sehr wohl wissenschaftlichen Standards entsprechen, die hohe Wirksamkeit der gängigen Impfstoffe. So konnten z.B. durch die Einführung von Masernimpfungen die Erkrankungszahlen um 99% gesenkt werden!

  • Impfungen verursachen Spätfolgen wie andere Krankheiten und Allergien.

 

Viele Impfgegner*innen sind der Meinung, dass Impfungen andere Krankheiten verursachten, wie z.B. Asthma, Allergien, Heuschnupfen, Krebs,Morbus Crohn, Multiple Sklerose oder plötzlichen Kindstod. Auch wenn dies bereits aus wissenschaftlicher Sicht fraglich klingt, finden teilweise noch skurrilere Argumentationsweisen Verbreitung. Häufig behauptet wird z.B.ein Zusammenhang zwischen Masern-Mumps-Röteln-Impfungen bei Kindern und Autismus, aber auch HIV, Homosexualität oder spätere Kriminalität werden teils als Folge von Impfungen gesehen! Dass letztere Behauptungen schlicht nicht stimmen, muss wohl an dieser Stelle eigentlich nicht gesagt werden. Allerdings sei zudem darauf hingewiesen, dass zahlreiche wissenschaftliche Studien auch keinerlei Verbindungen zwischen Impfungen und späteren Krankheiten finden (eine gute Übersicht zu den Studienergebnissen einschließlich entsprechender Verweise findet sich hier [3]). Zudem sollte angemerkt werden, dass Impfstoffe nicht „einfach so“ auf den Markt kommen, sondern vorher mehrstufige Tests und ggf. Weiterentwicklungen durchlaufen müssen, bevor sie entsprechend zertifiziert und zugelassen werden.

  • Impfungen dienen nur dem wirtschaftlichen Interessen der Pharmaindustrie.

 

Tatsächlich ist es richtig, dass Impfstudien, ebenso wie andere Medikamentenstudien, zum großen Teil von der jeweiligen herstellenden Pharmafirma finanziert werden. Dass da die Vermutung naheliegt, die Studienergebnisse würden entsprechend geschönt, damit der Impfstoff zugelassen wird und Geld fließt, mag sogar irgendwie verständlich sein. Dem kann jedoch zum einen entgegengehalten werden, dass die Ständige Impfkommission (STIKO) 2008 ihre Geschäftsordnung verschärft hat, um derartige Beeinflussung zu verhindern. Zum anderen lässt sich das Argument jedoch auch aus der gleichen kapitalistisch-gewinnmaximierenden Perspektive widerlegen,aus der es vorgebracht wird. Denn Pharmaunternehmen beziehen ihre Einkünfte schließlich nicht nur aus Impfstoffen, sondern auch aus der Entwicklung und dem Verkauf anderer Medikamente – und diese bringen in den allermeisten Fällen deutlich mehr ein. Dies gilt gerade auch für Medikamente gegen Krankheiten, die durch Impfungen verhindert werden sollen. Das heißt: Aus gewinnmaximierender Perspektive haben Unternehmen eigentlich vielmehr ein Interesse daran, dass Impfstoffe nicht zugelassen werden als daran, die Studienergebnisse zwecks Zulassung zu schönen.

So krude diese Argumente für viele auch klingen mögen: Sie sind für viele Personen höchst plausibel und stellen dadurch eine nicht zu unterschätzende Gefahr für unsere Demokratie und die Gesundheit tausender Kinder und Erwachsener dar. Daher: Stellt euch dagegen, wenn Menschen sich gegen Impfungen äußern! Klärt auf! Und: lasst euch impfen – für eure Gesundheit und die eurer Mitmenschen!

 

[1] Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (2020): „Mehr Menschen stehen Impfun-gen positiv gegenüber“. Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung, 14.01.2020. https://www.bzga.de/presse/pressemitteilungen/2020-01-14-mehr-menschen-stehen-impfungen-positiv-gegenueber/  (letzter Zugriff: 10.06.2020). 

[2] Impfen-Info.de (n.d.): „Herdenimmunität: Schutz für den Einzelnen und die Gemeinschaft“. Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung, n.d. https://www.impfen-info.de/wissenswertes/herdenimmunitaet/  (letzter Zugriff: 10.06.2020)

[3] Wikipedia (n.d.): „Impfgegnerschaft.“ Wikipedia, n.d. https://de.wikipedia.org/wiki/Impfgegnerschaft#cite_note-:3-51  (letzter Zugriff: 10.06.2020).